Sekretäre, Ehefrauen, stumme Diener – oder doch große Gelehrte?

Lektoren sind Menschen, die im Hintergrund arbeiten, die andere groß herausbringen. Oft stehen sie nicht einmal im Impressum. Da fallen dann Begriffe wie „stummer Diener“, „stiller Arbeiter“ oder „unsichtbarer Zweiter“.

Seit wann gibt es den Beruf des Lektors? War Goethes Assistent Johann Peter Eckermann auch schon ein Lektor? Oder nur ein „Sekretär“, der festhielt, was ihm sein Chef diktierte. Haben die beiden über die Texte diskutiert? Hat Eckermann sie geändert? Eckermanns Buch „Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens“ deutet darauf hin, dass er als Gesprächspartner eine wichtige Rolle bei der Textentstehung insbesondere von Faust II gespielt hat.

Etwa seit dem 16. Jahrhundert gab es Editoren, die Literatur herausgaben und teilweise auch kommentierten. Das waren Wissenschaftler, die die zumeist literarischen Werke für die Veröffentlichung vorbereiteten und gegebenenfalls in ihren Zeithorizont einordneten. Das unterscheidet z. B. historisch-kritische Ausgaben von reinen Leseausgaben. Editoren sind die Vorläufer der heutigen Wissenschaftslektoren.

Eine andere Traditionslinie könnten die Ehepartner bilden. Oft waren Schriftsteller mit Menschen verheiratet, die etwas von Sprache und Literatur verstanden. Haben die Ehefrauen die Manuskripte einfach nur auf der Schreibmaschine abgetippt oder haben sie auch darüber gesprochen? Aber ist das dann ein Beruf – oder eher eine besondere Form der (Paar-)Beziehung?

Als echter Beruf entstand der Lektor erst um 1900, als die Verlage anfingen, Literatur für das breitere Publikum und in den 1920er-Jahren dann auch für das Massenpublikum zu verlegen, und Unterstützung bei der Manuskriptbearbeitung benötigten. Dafür stellten sie Lektoren ein, die ebenfalls Autoren betreuten, aber keine direkte kaufmännische Verantwortung trugen.

Im 20. Jahrhundert arbeiteten manche Autoren zugleich als Lektoren (z. B. Christian Morgenstern, Franz Werfel oder Hans Magnus Enzensberger). Häufig haben sie sich damit ihren Lebensunterhalt verdient. Die Autorschaft war die Berufung und die Lektorentätigkeit der Broterwerb.

Quelle: Grundei, F.: Das wissenschaftliche Lektorat im Buchverlag: Das Berufsbild des Lektors. In: Texturen – Zeitschrift für den Literaturbetrieb